Von Vielheit zur Fülle

In unserer Gesellschaft gibt es so Viel.
So viele Arten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Arzt, Bäcker, Taxifahrer, Lehrer, usw. So viele Möglichkeiten, seinen Lebensmittelpunkt zu finden. In der Wohnung in einem Viertel in der Stadt, in der Vorstadt in einem Reihenhaus, auf dem Dorf, in einer experimentellen Lebensgemeinschaft, usw. Es gibt so viele Sportarten, um sich zu bewegen und seinen Körper in Form zu halten. Laufen, Schwimmen, Tennis, Fitness, Walking, Surfen, usw. So viele Urlaubsangebote und Orte zu bereisen. So viele Kulturangebote, so viele Bücher, so viele Filme, so viele gute Restaurants, so viele Weinsorten, so viel, so viel, so viel.

So viel….

Möglichkeiten
Angebote
Verpflichtungen
Aufgaben
Rollen

Wow, wunderbar, so viele Möglichkeiten, Erfahrungen zu machen und sich auszuprobieren. Und ach, doch nur begrenzte Zeit, um das alles in mein Leben hineinzubringen. Und auch so viele Verbindlichkeiten und Verpflichtungen, den gewählten Dingen nachzukommen. So viele Rollen zu übernehmen und auszufüllen.

So leben sehr viele Menschen in unserer heutigen Gesellschaft in einer Situation, die mit „Vielheit“ am besten bezeichnet wird. Das Leben ist dicht und voll, eins kommt nach dem anderen, häufig schon viele Tage, Wochen und Monate im Voraus verplant. Da ist wenig freie Zeit. Und wenn diese entsteht, wird sie schnell mit einer der vielen Möglichkeiten gefüllt.

In meinen Seminaren sehe ich immer wieder die Konsequenzen dieser Lebensweise. Wie atemlos und angestrengt viele Menschen dort erscheinen. Bis zum letzten Moment eingespannt in ihr Leben, fällt der Druck der letzten Zeit ab. Die Erschöpfung darf sein und nimmt sich Raum. Und langsam tritt dann die langersehnte Entspannung ein, wenn endlich einmal Zeit und Langsamkeit erlaubt sind. Was eine Wohltat. Doch leider geht es für viele direkt am Montag nach dem Seminar weiter mit dem Leben in Vielheit.

Vielheit wird mit Fülle verwechselt, nach der sich der Mensch sehnt. Wir wollen ein Leben in Fülle führen, uns über die Fülle mit dem Leben verbunden fühlen und Sinn darin erkennen. Die Wahrnehmung von Fülle entsteht aber nur über die Tiefe einer Erfahrung. Und für Tiefe braucht es Raum und Zeit. Nicht nur für die eigentliche Erfahrung, sondern auch für deren Integration. Es braucht ein „Sinken-lassen“, ein „Nachschwingen“, um Erlebnisse emotional zu vertiefen und zu verarbeiten.

So empfehle ich z.B. für intensive Seminare mindestens einen ganzen freien Tag nach deren Abschluss. Was ein Unterschied, an dem Montag direkt wieder zur Arbeit zu gehen oder den Tag ganz frei zu haben und dem eigenen Fließen folgen zu können. Und auch bei anderen Erfahrungen gilt es, Zeit für deren Vertiefung zu haben. Nicht den nächsten Termin unmittelbar anschließen, sondern immer wieder Zeit zu haben und schauen zu können, was denn in dir entsteht.

Fülle braucht Tiefe
Tiefe braucht Raum
Raum braucht Reduktion
Vielheit wird zur Fülle

In einem Leben in Vielheit bekommen Menschen häufig gar nicht mit, was sie eigentlich machen, denn das Nächste wartet schon. Eine konsequente Reduktion von Aktivitäten, Terminen und Aufgaben ist angebracht, damit Zeit und Raum zum Fühlen entsteht. So kann Tiefe entstehen, und mit Tiefe kommen Freude und Zufriedenheit.

So wird aus Überleben wirkliches Leben.

Viel Freude!

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