Du musst nicht mehr kämpfen

Ben ist in einem Selbsterfahrungsseminar. Seine Frau hat ihm das empfohlen. Eine Übung zur Körperaktivierung steht an. Er hört genau zu und fragt nach, dass er auch wirklich alle Instruktionen versteht. Wie war das genau mit dem Atmen? Liegt die Betonung mehr auf dem Aus- oder auf dem Einatmen? Habe ich die Augen geschlossen oder offen? Oder teilweise auf und dann wieder zu? Wie ist die Beinhaltung, eher offen oder eher zu? Lasse ich die Arme hängen oder bewege ich sie?

Kampf um Anerkennung..

Ben will alles ganz richtig machen, denn nur dann kann er wirklich den Körper aktivieren. Und nur dann kann er wirklich fühlen, das hat er so verstanden. Einleuchtend, Fühlen findet im Körper statt. Das schafft er. Er wird den Körper aktivieren und fühlen.

Und dann wird alles gut. Seine Probleme in der Beziehung werden verschwinden. Die Gefühle von Trostlosigkeit und Sinnlosigkeit werden nicht mehr auftauchen.

Ben strengt sich an und macht alles richtig. Nach einer Stunde Atmen und Springen und Tanzen steht er mit seinem durchtrainierten Körper schweißnass und tief atmend vor der Gruppe und soll mitteilen, was er jetzt empfindet. Was soll er sagen, dass die Anderen ihn auch als besonders stark und lebendig einschätzen? Ben nimmt sich zusammen, spannt den Körper an und schreit die Worte dann besonders laut heraus. Die Anderen schauen ihn an, er hält sich aufrecht und schaut mit gespielter Sicherheit und fast provozierend zurück. Er überlegt, was denken die von mir. Bin ich gut angekommen?

Der Leiter kommt und stellt sich neben ihn. Ben wird unsicher und fragt sich, ob er alles richtig gemacht hat. Der Leiter schaut ihn an und sagt ganz leise zu ihm: „Du musst nicht mehr kämpfen“.

Das schlägt ein wie eine Bombe. Etwas in ihm löst sich. Seine Anspannung, die er gar nicht wirklich bemerkt hat, löst sich. Er beginnt zu zittern, Tränen füllen seine Augen. Plötzlich fühlt er sich weich und lässt das auch zu.

Verletzlichkeit verbindet…

Er schaut zur Gruppe und sieht ebenso Berührung in den Gesichtern. Er fühlt sich unsicher, und so angenommen, wie er ist. Er spürt wirkliche Verbindung zu den ihm doch unbekannten Menschen.

Er sieht nun plötzlich, wie er immer alles richtig machen will, um Anerkennung zu bekommen und angenommen zu sein. Wie er sein ganzes Leben um Zuwendung und Aufmerksamkeit von Anderen kämpft und so wenig Kontakt zu seinen wahren Empfindungen hatte.
Immer die Frage, wie gefalle ich.

Und so beginnt sein Weg zu sich selbst.

Viel Freude!

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